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Mittwoch, 15. Oktober 2008

Wie möchte ich gepflegt werden, wenn ich einmal alt bin?

Die Frage: „Wie möchte ich gepflegt werden?“ sollte meiner Meinung nach wohl eher lauten: „Wie möchte ich nicht gepflegt werden?“. Natürlich möchte ich, dass man mich so behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte, jedoch musste ich leider, während meiner langjährigen Arbeit in der Pflege, schon einige negative Erfahrungen sammeln. Diese Erfahrungen haben mich sehr zum nachdenken angeregt und ich muss ernsthaft überlegen ob ich jemals in ein Pflegeheim gehen möchte. Diese negativen Eindrücke haben mich auch auf den Standpunkt gebracht, meine Eltern nie in ein Seniorenheim zu bringen. Ich habe auch überlegt, ob ich mich von einer häuslichen Krankenpflege versorgen lassen möchte, jedoch waren meine Erlebnisse in der Zeit, in der ich im ambulanten Pflegedienst tätig war, nicht weniger negativ als im stationären Bereich.
Klar habe ich meine eigenen Vorstellungen vom Alt sein und davon, wie ich behandelt werden möchte. Für mich ist es sehr fraglich, ob meinen Ansprüchen in Bezug auf die Versorgung entsprochen werden kann. Für mich fängt das Thema: „Pflege“ und „Alter“ bereits mit der heutigen Gesundheitsreform an, denn ich finde das die Gesundheitsreform wie sie derzeit ist nicht so bleiben darf, da sich dadurch die Versorgung, in meinen Augen, erheblich verschlechtert. Die Renten werden gekürzt und es steht in den Sternen, ob die Generation, in der ich lebe, überhaupt noch Rente erhält, nicht zuletzt, weil die Geburtenrate immer weiter sinkt und es irgendwann vielleicht nur noch Senioren geben wird. Deshalb finde ich, das an der Qualität der Pflege gearbeitet werden muss um diese zu verbessern. Dadurch das alles teurer wird, besteht auch die Gefahr, dass für viele Menschen sogar die Pflege unbezahlbar wird. Heutzutage werden überall, meistens an den falschen Stellen, Einsparungen getroffen, ja sogar an Pflegepersonal wird gespart, in dem es immer mehr 400 Euro Jobber gibt, was meiner Meinung nach im Pflegebereich nicht der Fall sein darf, schon allein der Gedanke daran, lässt in mir das Gefühl von Angst hochsteigen – die Angst, nicht qualitativ genug versorgt zu werden. Ich möchte aber nicht nur professionell behandelt werden, sondern auch das Gefühl von Geborgenheit durch die Zuwendung vom Pflegepersonal erleben dürfen, was durch diesen ständigen Personalmangel nur schwer möglich sein dürfte. Ich finde, das es in unseren Pflegeheimen viel mehr „Rooming-In's“ geben sollte, damit auch die Angehörigen die Möglichkeit haben, bei ihren Liebsten zu sein, nicht zuletzt, weil ich mir wünsche, vor allem dann meine Angehörigen um mich zu haben, wenn der Moment gekommen ist, in dem ich mich von dieser Welt verabschiede und in eine andere, uns unbekannte, Dimension einziehe. Ich möchte auch, dass ich, wenn ich unbedingt in ein Pflegeheim muss, mit Respekt behandelt werde und das Pflegepersonal mir gegenüber freundlich entgegen tritt. Aber ehrlich gesagt würde ich mich auch gerne von meinen Angehörigen pflegen lassen, da sie mich mein halbes Leben lang kennen und mehr auf meine Bedürfnisse und Wünsche eingehen können. Ich finde sowieso, dass es leider viel zu viele Menschen gibt die, die Vorteile von Pflegeheimen ausnutzen, um ihre Angehörigen mehr oder minder „abzuschieben“. Es wäre doch schöner, wenn es mehr Pflege zu Hause durch „Laienpflege“ geben würde, wie es früher stärker vertreten war und heute noch vereinzelt der Fall ist und bei den Moslems zum Beispiel sogar Tradition ist.
Ich denke, egal wo auch immer ich mich im Alter wieder finden werde, ich lege sehr großen Wert auf Ehrlichkeit und gewissenhafte Arbeit, die auch mit einem gewissen Maß an Humor verbunden werden kann. Teilweise musste ich leider miterleben, das es nicht nur Pflegehelfer, die kaum eine Ahnung von der Pflege haben, gibt, sondern auch Examinierte Fachkräfte die einfach inkompetent sind, wenn es um den Umgang mit Pflegebedürftigen Menschen geht. Fachkräfte, die selten auf Meinungen anderer hören und dadurch sogar in Kauf nehmen, das ein Menschenleben viel zu früh beendet wird. Mein Herz fängt an zu bluten, wenn die Erinnerungen zurück kehren – Erinnerungen an das Leiden, was Menschen aushalten mussten, sei es dadurch das sie nichts zu Essen und zu Trinken bekamen oder auch durch aggressives Verhalten vom Pflegepersonal. Doch nicht nur das lässt mich darüber nachdenken, ob ich überhaupt gepflegt werden möchte, sondern auch die Gewissheit, dass die heutige Welt immer mehr im Drogensumpf versinkt und das es an Pflegeschulen Schüler gibt, die ganz offensichtlich ein Problem mit Drogen oder Alkohol haben. Sollen solche Menschen wirklich auf Menschen, die unserer Hilfe bedürfen und sogar darauf angewiesen sind, losgelassen werden? Es mag ja sein, dass ich gegenüber diesen Menschen Vorurteile habe, aber mal im ernst, ich möchte nicht von jemandem versorgt werden, der gerade seinen Rausch auslebt während er mir vielleicht gerade versucht, mir mein für mich lebensnotwendiges Insulin zu injizieren. Ich möchte einfach mit der Gewissheit, liebevoll und gewissenhaft versorgt zu werden, in ein Pflegeheim einziehen können. Falls irgendwann der Tag meiner Pflegebedürftigkeit gekommen ist, möchte ich gerne so lange es geht in meiner mir vertrauten Umgebung bleiben und versorgt werden.
Ich könnte mir aber auch vorstellen, in einem „Betreuten Wohnen“ meinen Lebensabend zu erleben. Ein Pflegeheim kommt für mich nur dann in Frage, wenn ich wirklich nicht mehr alleine leben kann und keine andere Alternative mehr habe. Sollte mein geistiger Zustand im Gegensatz zu meinen körperlichen Fähigkeiten noch vollkommen funktionsfähig sein, möchte ich gerne meine Gewohnheiten beibehalten dürfen. Ich möchte, dass darauf geachtet wird, dass ich ein gepflegtes Äußeres und immer saubere Kleidung habe. Die Körperpflege ist mir sehr wichtig und ich möchte, dass auch dabei meine Wünsche, wie zum Beispiel Sonntags baden, berücksichtigt werden. Wenn ich noch nicht inkontinent bin, aber in meiner Bewegung so eingeschränkt bin, dass ich nur schlecht und sehr langsam laufen kann, möchte ich, dass man sich die Zeit nimmt und mich verantwortungsbewusst auf die Toilette begleitet ohne mir Inkontinenzmaterial anzulegen oder mich aus Zeitmangel in einen Rollstuhl setzt, wie es in der Realität leider viel zu oft der Fall ist. Außerdem möchte ich bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens, soweit es mir möglich ist, selbstständig mitwirken können, egal wie viel Zeit ich dafür benötige. Ich würde mich freuen, wenn ich die Möglichkeit habe, ein Einzelzimmer zu bewohnen, um mich auch im Alter noch frei entfalten zu können. Es sei denn, mein Ehepartner ist noch am Leben und zieht mit mir gemeinsam in ein Pflegeheim.
Wenn ich aber im Jahre 2057 bereits verwitwet bin, möchte ich am liebsten ein Einzelzimmer, da ich ein oftmals sehr komplizierter Mensch bin und meinen Rückzugsraum benötige. Ansonsten möchte ich soviel Kontakt wie möglich mit anderen Mitbewohnern, um nicht noch zusätzlich zu meiner eventuell vorhandenen Erkrankung eine sensorische Deprivation erleiden zu müssen. Ich hoffe, dass dem von vorne herein mit einem abwechslungsreichen Freizeitangebot entgegen gewirkt wird, da ich gerne an Aktivitäten wie zum Beispiel Spaziergänge teilnehmen möchte. Meine Mahlzeiten möchte ich gerne, unter Berücksichtigung meiner Essgewohnheiten, in Gesellschaft mit meinen Mitbewohnern genießen können. Ich hoffe das sich hinsichtlich meiner Vorstellungen die Gesundheitsreform positiv weiterentwickeln wird, so dass es mir überhaupt möglich ist, den Rest meines Lebens nach meinen Wünschen und Bedürfnissen verleben zu können. Natürlich möchte ich meine Angehörigen so oft es geht um mich herum haben und deshalb hoffe ich, das es bis zum Jahr 2057 viel mehr Sterbezimmer in den Pflegeheimen geben wird, auch damit ich nicht, falls ich mir mit jemandem ein Zimmer teilen muss, mit ansehen muss, wie dieser eventuell vor meinen Augen stirbt und andersrum natürlich genauso. Außerdem finde ich die Idee von Sterbezimmern gut, eben weil man dann im engsten Familienkreis von einander Abschied nehmen kann und mit dem nötigen Respekt von der Welt gehen kann. Ein Sterbezimmer, schön gemütlich eingerichtet sorgt für eine gewisse qualifizierte Sterbebegleitung, wie die Leute, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, es auch verdient haben.
Ich jedenfalls möchte, das meine Angehörigen mir meine Hand halten wenn ich zu meinem Ursprung zurück kehre.
Auf Grund der immer weiter sinkenden Geburtenrate wird es irgendwann mit hoher Wahrscheinlichkeit nur noch Senioren geben und ich wünsche mir, das sich die Qualität der Pflege bis dahin verbessert hat und das es viel mehr Menschen gibt, die so denken wie ich und ihren Beruf mit ihrem Herzen machen und nicht des Geldes wegen.
Nur so kann man anderen den nötigen Respekt entgegen bringen und andere so behandeln wie man es sich selber wünscht.
Man muss die Welt so nehmen wie sie ist, aber man darf sie nicht so lassen.

1 Kommentar:

  1. Ich habe deinen Artikel gelesen und finde ihn super. Es ist sehr viel Wahres darin geschrieben.Nur reicht es nicht aus, die Missstaende in der derzeitigen Altenpflege darzustellen und ausreichend zu dokumentieren, wenn sie nur von einer Person kommt. Wenn sich mehrere daran beteiligen wuerden, koennte man die ganze Bandbreite der verkorksten Pflege und des gesundheitssystems aufdecken. Ich denke, jeder der mal in der altenpflege taetig war, kann ein Lied davon singen. L.G. Petra

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